Widersprüche,
Chaos und Komposition,
Farbrausch und Farbdisziplin,
Formlosigkeit und Formzwang
werden harmonisch befriedet zwischen
dem "Grossen Abstrakten" und dem "Grossen Realen"
                                                                   Karl Karol Chrobok
Rede zur Vernissage der Ausstellung 
Facetten der Abstraktion 2“ von Karl Karol Chrobok in der Galerie arche in Hameln am 6.11.2015

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstinteressierte und Freunde der „arche“!
Ich freue mich, dass Sie sich am heutigen Abend auf den Weg hierher gemacht haben. Und wie Sie sicher sofort bemerkt haben - man kommt ja gar nicht drum herum - eröffnet sich Ihnen hier im Warmen ein farbstrotzendes Pendant zum bald düster werdenden November-Grau vor der Tür.
Ich begrüße Sie sehr herzlich auch im Namen des arche Vorstandes und darf Ihnen nun den Künstler vorstellen, der diese Werke schuf und sie heute unter dem Titel: „Facetten der Abstraktion 2 - zwischen dem großen Abstrakten und dem Großen Realen“ - vorstellt: Karl Karol Chrobok.
Als K.K. mich vor einigen Wochen fragte, ob ich wohl zu dieser Vernissage ein paar einführende Worte sprechen könnte, war ich  -zugegeben- zunächst einigermaßen überrascht und sehr kurz darauf sehr erfreut. Also sagte ich zu. Tja, einführende Worte???
Wohin soll ich Sie heute Abend führen? Wo hinein?
Was ist, wenn Sie gar nicht mit wollen?
Also lieber „nur“ Worte. Aber welche?
Möglichst treffende - klar! Und bloß nicht zu viele! Wobei letzteres schon schwierig werden dürfte: Machen Sie`s im Angesicht dieser überbordenden Werke mal kurz!!
An dieser Stelle kann ich also nichts versprechen, nur versuchen - das müssen Sie verstehen!
Nun: Über K. K. Chrobok als internationalem Künstler mit einem technisch wie inhaltlich überaus breit angelegten Oevre ist bereits vielfach geschrieben worden, stets mit viel lesbarer Begeisterung des jeweiligen Autors. Ohne Zweifel wäre es sehr interessant, einige kunsttheoretische Abhandlungen zu zitieren und biografische Daten des Künstlers zu berichten. 
Letztlich wäre es aber eine Wiederholung, noch dazu wohl eine recht unpersönliche. Da ich nun aber der Meinung bin, dass die Kunst, die uns ein Künstler offenbart, ein Teil des Persönlichsten seiner Selbst ist und ich zudem KK persönlich kenne, glaube ich, ihm und uns heute Abend auch etwas Persönliches schuldig zu sein.
Daher werde ich Ihnen heute nur einige fragende Gedanken darbieten, die im Kontakt mit dem Künstler, in der Auseinandersetzung mit seinen Bildern und im Nachklang von beidem entstanden sind. Und wie es mit den Gedanken so ist - sie sind ganz subjektiv - und vielleicht ganz anders, als Ihre: Das ist dabei das Risiko. 
Als ich die Homepage von KK virtuell „aufschlug“, um die Bilder dieser Ausstellung anzusehen, stieß ich sehr schnell direkt unter einigen biografischen Daten auf den leuchtend roten Satz: 

ANGST VOR DER FARBE IST ANGST VOR DER WELT!
ANGST VOR DER FARBE IST ANGST VOR DER WELT!
Daran bin ich nicht nur an jenem Abend gedanklich „hängen geblieben“. 
Was bedeutet dieser Satz dem Künstler, wenn er ihn  - rot - seinen Werken voran schickt? Gibt es Antworten darauf in seinen Werken?
Nun, Angst vor der Farbe hat K.K. Chrobok offensichtlich nicht. Im Gegenteil: Er trägt sie ja „richtig dick auf“, drückt im Wortsinn auf die Tube. Farblich verzagt würde man seine Kunst wohl kaum nennen. 
Heißt das im Umkehrschluss, der Künstler hätte auch keine Angst vor der Welt oder vor manchem, was in ihr ist?
Doch, hat er, wie er meine Vermutung, als ich ihn danach fragte, bestätigte. (Anderes hätte man ihm allein aufgrund der Tatsache, dass er ein Mensch und noch ziemlich lebendig ist, wohl auch nicht recht abnehmen wollen. )
Aber wie geht er mit ihr um, dieser Angst? Fragen wir seine Kunst!
Vom malerischen Prozeß ausgehend, mit dem alles anfängt, meint man zunächst zu erkennen: Dynamisch! 
Und das stimmt! KK arbeitet schnell: Fast wirft er die Farben anfangs auf die Leinwand, will er doch den Moment, den Augenblick einfangen, der ihn ergriffen hat! Er sagt: „Wenn die Zeit nicht ausgenutzt wird, kann alles bald vorbei sein!“, und er meint damit vielleicht nicht nur die (Zitat) „nicht ewig auf der Schulter sitzende Muse“ und die „Spannung bei der Arbeit“. Manchmal stellt der Künstler ein Bild auf diese Weise fertig. Sich diese Schnelligkeit und das Belassen des spontan Entstandenen zu erlauben, erfordert wohl eine ganze Handvoll Mut. Und dieser ist wiederum kalkuliert. Angst überfällt uns, Mut ist eine Entscheidung.
Mut findet sich auch in der Biografie des Künstlers: ging er doch noch vor 1989 aus Polen fort, weil er dort sein individuelles Künstlersein nicht ausleben konnte. Es sei (Zitat)“ungeheuer schmerzhaft gewesen, nach dem Kunststudium in Krakau zurück in die Provinz zu kommen, in die Provinz eines Polens, das sich in fürchterlicher Lage befand“. So ging er gen Westen. Doch wir  wissen, dass dieses „Fortgehen“ vor dem Fall des eisernen Vorhangs eben kein Fort- gehen war - sondern eine Flucht. Mit allem, was das bedeutet. . .
Ich muss an dieser Stelle, auch wenn es zunächst unpassend erscheinen mag, an den „lustigen Wanderer“ denken, dessen Gesichtszüge auf den zweiten Blick so lustig gar nicht sind. Vielmehr scheint er sich wie ein Kind, das laut singt, wenn es in den dunklen Keller geschickt wird um etwas heraufzuholen, beherzt und betont laut durch den dunklen Wald zu kämpfen - voran! Weiter! Nur nicht verzagen! Nicht aufgeben! Mutig bleiben! . . . 
Kehren wir noch einmal zurück zum Malprozeß: Beim Farbwurf bleibt es jedoch meist nicht. Oft setzt sich Chrobok nach dem ersten Farbrausch mit diesem dizipliniert auseinander, er bezwingt das erste Chaos, er ordnet, er formt es;  er trägt neu auf, er hebt ab, er kratzt frei:  er sucht, er forscht, er stellt in Frage und muss vielleicht auch verwerfen; er zieht sich nicht auf die schützende Ebene des Schon-Bescheid-Wissens zurück. Nein: er bleibt begeistert und fasziniert . . . er  . . . spielt! Er spielt!  Mit den Farben, mit den Formen, mit dem Licht.  Er spielt mit der Abstraktion. Er spielt mit der Realität. Er bleibt neugierig auf das, was passiert. 
Wenn die Angst größer wird als die Neugier, wird man bald erwachsen.“ so Bruno Ziegler.  
Begegnet Chrobok der Angst, bevor sie lähmend werden kann, also mit dem Festhalten an kindlicher Neugier, am begeisterten Spiel? Mit einem bewußt spielerischen Blick auf die Realität? 
Und begegnen wir diesem Motiv in seinen Werken? 
ANGST VOR DER FARBE IST ANGST VOR DER WELT!
Nun, irgendwann wird jeder Prozeß beendet, und wir haben das daraus hervor gegangene Werk vor uns. Betrachtet man es, so kann man dies aus nächster Nähe und aus einiger Entfernung tun. Von nahem erfasst unser Blickwinkel lediglich Details - es sind größere und kleiner Farbflächen und  abstrakte Formstudien. Treten wir zurück, enthüllen sich oft eine oder mehrere Figuren in einer szenischen Kompostion. 
Was sind das für Figuren? 
Haben sie Gesichter, so findet sich (für mich) in ihnen doch oft so etwas wie Selbstironie, ein ganz besonderer Humor. Nehmen wir den  „gescheiterten Casanova“  - allein der Titel lässt schon schmunzeln, finde ich. In seinem Gesicht ist dieser Humor  besonders zu sehen. Casanova müsste vorm Scheitern rein logisch eine nahezu existenzielle Angst verspüren, könnte er sich nicht mit ein wenig Selbstironie davon distanzieren. Angst vorm nächsten Versuch kann er sich nicht leisten, verbissen darf er mit ihr nicht umgehen, dann stellt ihm die reine Physiologie von vorn herein das Scheiterbein!
Aller Humor fängt damit an, dass man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt.“ Zitat: Hermann Hesse. Nur wenn Casanova sich selbst nicht so sehr ernst nimmt, kann er sich aus einiger Entfernung ein wenig belächeln - das gibt ihm die nötige Leichtigkeit, um das zu verhindern, wovor er sich am meisten fürchtet.
Auch in manchen Bildern ohne eindeutige Gesichter scheint sich der Humor zu verstecken: Nehmen wir Dämonen 3 und kehren wir die Betrachtungsweise um: zuerst von fern, dann aus der Nähe: Der Künstler wird sie kennen, die Dämonen, sonst würde er sie wohl nicht malen. Aber bevor er zu ihrem Spielball wird, spielt er mit ihnen: Da können sie von ferne betrachtet noch so groß und rot und feurig und gefährlich daher kommen. Aus der Nähe sieht es schon ganz anders aus: Ein zugegeben riesiger Schwarm sind sie aus lauter kleinen Paralleldämonen - wie ein Fischschwarm, in dem jedes Fischlein durch die Formation versucht, den Gegner zu verwirren um sich dadurch vor ihm zu retten. Ja, ja, zusammen seid ihr stark! Aber man ahnt es, ein beherztes „Buh“, und sie stieben auseinander - die Dämonen, . . die Dämönchen? . . . Man muss sich aber eben trauen, ihnen ins Gesicht zu sehen. 
Da wären wir also wieder beim Mut. 
ANGST VOR DER FARBE IST ANGST VOR DER WELT!
Jeder gute Künstler öffnet seinen Betrachtern die Augen für ein vorhandenes Problem“, sagt Chrobok. Bietet er auch Lösungen oder zumindest Vorschläge zur Lösung an? 
Begegnet Chrobok dem Problem der abstrakten Angst und der realen Furcht, die uns alle immer wieder heimsuchen können, u.a. mit selbstironisch getöntem Humor?  Will er uns dazu erMUTigen, genau das immer einmal wieder zu versuchen? Will er ermutigen, einen neugierigen und spielerischen Blick auf die Realität zu bewahren?
Wehe dem Künstler, der keinen Humor hat“, zitiert er selbst W. Nabokov und scheint damit die Frage zumindest anteilig zu beantworten.
Ich werde nun keine weiteren Fragen mehr stellen, zumindest nicht jetzt. Sie alle sind vom Künstler ausdrücklich dazu eingeladen, es heute Abend zu tun. 
Rede ich also nun nicht länger über K.K.Chrobok, sondern wir gleich mit ihm - er ist ja da. Und ich darf aus eigener Erfahrung sagen: Das macht richtig Spaß!
Ich möchte mit einem Zitat von J.W. v. Goethe enden, das mir heute sehr passend erscheint: „Die stärkste Farbe findet ihr Gleichgewicht, aber nur wieder in einer anderen starken Farbe - und nur wer sich seiner Sache gewiß wäre, wagte, sie neben einander zu setzen.“
Ich danke Karl Karol Chrobok für ein großes Stück Gewissheit an den Wänden der arche, Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns nun einen neugierigen, spielerischen und humorvollen Abend.

Susanne Gührs
Neues entsteht nicht durch den Intellekt sondern durch den Spielinstinkt. C.G. Jung