Ausstellung im Elisabeth-Anna-Palais / (Oldenburg)
Karl-Karol Chrobok
Malerei auf Leinwand und Holz
Mai 2008

 

Wenn wir in die Bilder von Karl-Karol Chrobok hinein schauen, erkennen wir als ein Grundthema den Menschen, freilich nicht in realistischer Darstellung, sondern zum einen konzeptuell als eine immer wieder verwendbare Ganzfigur, zum anderen als veränderbares Detail im jeweiligen Sinn der gesamten Komposition. häufig reduziert auf einen Kopf, zeichenhaft eingeschlossen in ferne Räume.
Als Konzept: Wer die Website von Karl-Karol Chrobok aufschlägt, stößt auf eine Figur in kniend vorgebeugter Haltung. Der Künstler nennt sie "Zusammengerollter Mensch". Sie ist auch in den großen Brücken- Figuren aus dem Jahr 2007 wieder zu erkennen. Es liegt nahe, in dieser Figurendarstellung einen lnhalt wie vielleicht eine demütige Haltung erkennen zu wollen; nur entspricht das nicht der ldee eines Konzeptes: ln dessen Sinne dient die Figur primär als Versatzstück, das häufig eingesetzt werden kann, und dann als eine Bild- Eröffnung. Die ungewöhnliche Haltung wirft Fragen auf, durch die dieses Motiv sofort bedeutungsvoll erscheint. Weder ein Akt noch ein Haus, wie es auch immer aussehen mag, löst zu Beginn der malerischen Aktion bzw. der Betrachtung eine solche Vielfalt von Assoziationen aus wie diese gebückt kriechende Figur. Und darunter sind politische Inhalte durchaus möglich. Karl-Karol Chrobok vertieft diese Vieldeutigkeit nicht. Er führt die Figur nicht zu einem eindeutigen Inhalt; vielmehr ermöglicht er vieldeutige Auslegungen, die nicht nur während des malerischen Prozesses, auch bei der Betrachtung - je nach Stimmung des Betrachtenden - sich laufend verändern können. Jedes Bild hat auf der Rückseite eine Legende mit den Daten der Bearbeitung, eine Chronik des Künstlers, wie ich sie noch nie gesehen habe. Da ist der Prozess angezeigt, der immer neue Deutungen möglich gemacht hat. Der Künstler wartet den Trocknungsprozess seiner oft pastos aufgetragenen Ölfarben ab, ehe er eine neue Schicht Farben über das schon Gemalte setzt; er hat also Zeit, sich den weiteren Arbeitsverlauf und die entsprechenden Veränderungen zu überlegen, und so ist die angesprochene Vieldeutigkeit nur eine Konsequenz des aufwändigen Arbeitens. Tatsächlich entwickeln sich viele Bildabschnitte spontan.
Bleiben wir noch beim Arbeitsprozess: Wir erkennen an vielen Bildern, dass auf der farbigen Grundfläche, die von späteren Formen und Kompositionselementen fast völlig zugedeckt wird, aber in den Randzonen der Kompositionen doch sichtbar bleibt, primär mit Linien gearbeitet worden ist: Interpreten verweisen gern darauf, dass Karl-Karol Chrobok ursprünglich Zeichner und Druckgrafiker gewesen ist, Disziplinen, in denen die Linie besondere Bedeutung hat. Er habe, heißt es, diese Methode des Arbeitens beibehalten. D.h. also, dass er auch mit dem Pinsel zeichnet, dass er nicht zuerst gestisch malt, sondern Linien mit relativer Exaktheit zieht. Die Linie ist für den Betrachter wie ein roter Faden, der sich durch ein nur langsam entwirrbares Geschehen zieht. Die Linien umreißen Flächen, und die sind nicht leer. Das Geschehen in den Flächen fügt sich zu langen Erzählungen, die der Künstler freilich nur anreißt, die der Betrachter selbst mit lnhalten füllen muss. lnsofern sind die Bilder von Karl- Karol Chrobok anregend, die eigene Fantasie spazierengehen zu lassen.

Neben den Menschenbildern gibt es Landschaften, Städtebilder und Seestücke: Sie beziehen sich selten auf reale Vorbilder - Bei der Lagunenstadt denken wir natürlich an Venedig; aber die Bauten in diesem Bild unterstützen dieses Wunschbild nicht. Die Lagunenstadt bleibt fiktiv. Zu den Landschaften zählt auch die Landschaft mit Pappeln: Die Rolle, die in anderen Bildern der Kopf oder das Haus übernommen haben, Fläche für zahlreiche Geschichten zu sein, wird hier auf die Baumwipfel übertragen, während die Landschaft selbst klar durchschaubar ist. Freilich gebraucht der Maler einen allgemeineren Begriff für solche in sich reich differenzierten Motive: Er spricht von Raum. ln den großflächigen Landschaften' ist der Raum nahezu unbegrenzt, in den Baumkronen aber dann kleinzellig untergliedert; in den anderen Kompositionen ziehen die Linien immer neue Grenzen um einzelne Räume.
Dazu zählt auch das Kopfmotiv, das unabhängig vom menschlichen Körper entstehen kann: Das Kopfmotiv steht letztlich dem Haus-Motiv näher und damit ist es eine andere Form von Landschafts-Komposition. Beispiel: Zuweilen erkennen wird gar nicht, dass der Künstler einen Kopf gemalt hat; wir brauchen Zeit, das Bild in seinem Aufbau zu durchschauen. Wenn aber Umrißlinien einen Kopf aus den Farbschichten herausheben, sehen wir, dass das Gesicht in eine Fülle von unterschiedlich großen und kleinen Zellen aufgelöst wird, also dass hier überhaupt kein visueller Bezug zu einem Menschenkopf mehr gegeben ist, wenn von der gewohnten Kopf-Kontur einmal abgesehen wird. Nicht um ein identifizierbares Gesicht geht es, vielleicht um ein fiktives, aber doch sicher um einen Kopf voller Eigenleben und Abstand von den Standards: Vielleicht kann man sagen - es gehe um ein Gesicht als eine Summe von Räumen. Vielleicht kann man das so auflösen: Das Gesicht ist der Ausdrucksträger des Kopfes und der Kopf ist der Raum der Gedanken. Und die wiederum setzen sich aus unzähligen Elementen zusammen. So ist Karl- Karol Chrobok auf die Kleinzelligkeit gekommen, die die meisten seiner Gemälde bestimmt. Viele der kleinen Zellen sind Räume, und häufig hat der Künstler ein Motiv in ihnen gemalt, das den Gedankenfluss fortsetzt. Wiederholt hat der Künstler Titel gefunden, die diesen permanenten Prozess ansprechen und die Kraft der Wandlungen dessen, was eben noch fest und sicher schien, verständlich machen: "Der Magier", Dieser Titel kommt wiederholt vor: "Kopf Super- Magier XL" 2005, "Magische Köpfe", "Stehender Zauberer", 2005. Andere Bilder greifen fiktive oder reale Momente der Geschichte auf -"König Darius von Damaskus", manche spielen auf kunsthistorische Motive an, die für den Künstler einen spezifischen Reiz haben: Die "Hommage an Max Ernst" greift ein fantastisches Landschaftsmotiv des Kollegen auf, die "Foret"-Bilder, Waldbilder, deren Undurchdringlíchkeit und Strukturenvielfalt einen Maler wie Chrobok gereizt hat. Auch Paul Klee bietet Bilder, die Maler besonders in den fünfziger Jahren angeregt hatten, und die für Karl Karol Chrobok gleichsam Ausgangspunkt für weiterführende Expeditionen in das Labyrinth aus Räumen sein konnten. Der Titel "Hauptweg und Nebenwege", den unser Maler irgendwann einmal aufgegriffen hatte, bezieht sich auf eine gleichnamiges Bild von Paul Klee.

Fassen wir zusammen: Unter den Händen von Karl Karol Chrobok ist ein Oeuvre entstanden, das von erinnerbaren und seherfahrenen Formen wie Kopf, Haus, Baum, Landschaft ausgeht und ein Labyrinth aus Zellen und Räumen entwickelt. Insofern sind diese Bilder auch Sinnbilder für den immer weiter drängenden , immer neue Abenteuer suchenden menschlichen Geist. Karl Karol Chrobok sucht dabei nach allgemein gültigen Pfaden mit zeitlosen Zielen.

Jürgen Weichardt, Mai 2008