Einführungsrede Museum Bad Berleburg

Karl Chrobok


Die Natur in all ihren Erscheinungsformen ist nicht immer ein Idyll. Wer sich an einem regnerischen Tag auf eine längere Wanderung in unseren Wäldern einlässt, kann dies nur bestätigen. Dennoch sind die Eindrücke bei schlechtem Wetter unmittelbarer und zeigen Größe und Gewalt der Natur deutlicher, als ein lieblicher Sommertag dies vermag.
Auch Karl Chrobok hat die Wittgensteiner Natur in all ihren Facetten schätzen gelernt. "Haupt- und Nebenwege zum Wald" nennt er seine
Ausstellung hier in Bad Berleburg, auch eine Anlehnung an Paul Klees Gemälde "Haupt und Nebenwege". Der konkrete Weg in den Wald ist hier zu sehen, der anstrengende Weg zum gelungenen Bild ist impliziert, der Nebenweg, welcher vielleicht durch eine plötzliche Eingebung eingeschlagen wird, kann hingegen zu erstaunlichen Erkenntnissen führen.

Karl Chrobok stammt aus Polen, studierte Kunst an der Akademie der Künste in der alten Universitätsstadt Krakau. Die schöne und lebendige Stadt ließ er jedoch hinter sich und siedelte 1988 nach Köln über. Er arbeitet als freier Künstler und sein bisheriges Œuvre umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Werke, bestimmend war jedoch immer seine Faszination für die Farbe. Er lotet ihre Möglichkeiten aus, stellt die Farbe auf die Probe — wie weit kann man als Maler gehen, die Farbe sprechen zu lassen ohne sie in die Abstraktion zu führen. Die Ausgestaltung des Bildes in Farbflächen betont das Motiv und geben dem Farbenrausch Halt.

Seit 2007 malt Karl Chrobok wieder mehr in der Natur. Durch die Bekanntschaft mit Wittgensteiner Künstlern lernte er das Rothaargebirge mit seinen vielschichtigen Naturschauspielen kennen. Er durchstreift die Wälder auf der Suche nach interessanten Eindrücken, die sich ihm als Maler in großer Zahl erschließen. Dabei ist er, wie schon angedeutet, kein Schön-Wetter-Maler. Ob Sturm, Schnee oder Sonne, alle Wetterlagen und Befindlichkeiten der Natur sprechen ihn an und inspirieren ihn, den besonderen Ausdruck der Situation ins Bild zu setzen. Der Ausdruck ist das Entscheidende in seinen Bildern, denn es soll kein illusionistischer Raum mit stimmigen Lokalfarben entstehen, sondern ein expressives Bild dessen Farbigkeit der Künstler bestimmt. Er sieht ein Farbenspiel, ein Schimmern und Leuchten, welches er effektvoll auf die Leinwand bringt. Nicht die Oberflächenstruktur der Dinge ist von Bedeutung, es ist ihre Erscheinung.

Die Bewegung der Bäume im Wind, das Peitschen der Zweige im Sturm und das Spiel der Schatten.. Flüchtige Eindrücke, Momentaufnahmen, die in einem Kraftakt in kurzer Zeit auf die Leinwand gebracht, oder besser geworfen werden. Die Kunst der raschen Pinselführung, des Erfassens einer Farbnuance hat Karl Chrobok perfektioniert. Er erspürt die Farben mehr als er sie sieht. Er. fühlt die Dynamik und die Stimmungen um ihn herum und bannt sie in seine Bilder. Der Arbeitsprozess bleibt beim fertigen Werk nachvollziehbar. Pinselstriche, Auskratzungen, Spachtelungen, alles ist erkennbar und wird nicht der Illusion zuliebe übermalt. Objekte werden in Farbstreifen zerlegt, von denen jeder einzelne eine eigene Farbe besitzt. Oft malt der Künstler mit mehreren Paletten, um die vielen Farben mischen zu können. Der Zusammenklang der Farben macht schließlich die Wirkung des Bildes aus, egal ob mit bunter oder gedämpfter Palette gemalt. Farbstriche und Farbflächen strukturieren die Bilder. lm Detail wirken sie oft wie abstrakte Farbübungen, tritt man zurück, so offenbart sich das Motiv. Im Auge des Betrachters wird aus der Stele der Stamm, aus der Fläche ein Feld, dem Ornament ein Weg.

Die Farbperspektive wird von Karl Chrobok zugunsten der kräftigen Farbgebung vernachlässigt. Es gibt kein Verblassen und Verschwinden in der Ferne, jede Fläche erscheint gleich klar und scharf, Raumtiefe wird nur durch angedeutete Proportionen erahnbar. Ein Abtönen der Farben kommt für den Künstler nicht in Frage, die Kraft der Farbe spielt hier die Hauptrolle, ein Unterordnen unter Perspektivgesetze liefe dem zuwider. Kontraste lassen die Farben hervortreten oder zurückweichen, Karl Chrobok beherrscht sie instinktiv. Farben im Komplementär-Kontrast etwa verstärken sich gegenseitig und erzeugen farbliche Harmonie. Der Künstler vermeidet die Kontur und lässt Farbflächen neben- und übereinander gesetzt ihre Wirkung entfalten. Eine eigene Farbenwelt tut sich vor ihm auf, wenn er die Natur betrachtet. Eigenwillige Töne entstehen und werden verstärkt durch die nebenstehende Farbe, Farben drängen in den Vordergrund, die das ungeschulte Auge in der Natur kaum wahrnimmt. Lila in den Stämmen des Herbstwaldes, ein giftiges Limonengelb im sommerlichen Laub, ein Azurblau im Schneefeld.

All dies sind Erscheinungen, die Gesehenes bekräftigen, die Landschaft als Basis erkennen lassen, deren eigener Klang aber erst von Karl Chrobok entdeckt wird. Wie viele Farb-Töne entdeckt man im Schnee, im Sommerlaub? Die Palette variiert und entspricht den Jahreszeiten, warme Farben im Herbst, kalte im Winter. Karl Chrobok spielt die Klaviatur der Farben und versetzt die Welt seiner Bilder in Bewegung. Das Motiv wird aufgelöst, abstrahiert und damit sein Wesen erst freigesetzt, kein Verlieren in Details stört den festgehaltenen Moment.

Der eigenständige und selbstbewusste Umgang mit der Farbe und das hinter sich lassen der Lokalfarbe zugunsten einer eigenen malerischen Sprache, diesen Weg verfolgt der Künstler konsequent. Denn erst das Loslassen der unmittelbaren Wirklichkeit führt zu einem eigenen künstlerischen Ausdruck , wie Karl Chrobok eindrucksvoll beweist oder um mit seinen eigenen Worten zu schließen: "Angst vor der Farbe ist Angst vor der Welt".

Kirsten Schwarz, Siegener Museum für Gegenwartskunst