Vernissagerede für Karl-Karol Chrobok im Kunstverein Rinteln, Fr. 26. 3. 2010, 19:00 Uhr, Museum Eulenburg in Rinteln

Sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst in Rinteln.

Zur diesjährigen Osterausstellung des Kunstvereins Rinteln begrüße ich Sie im Namen des Vorstandes ganz herzlich und freue mich, Ihnen auch dieses Jahr mit Karl-Karol Chrobok einen internationalen Künstler mit einem spektakulären neuen Ausschnitt seines inhaltlich wie technisch sehr breit aufgestellten Œuvres vorstellen zu dürfen.

Unsere lokale Presse hat im Vorfeld dieser Ausstellung bereits ausführlich biografische und kunsttheoretische Aspekte referiert, so dass ich in dieser Hinsicht nichts zu wiederholen brauche. Ich möchte Ihnen vielmehr einige Gedanken zur heutigen Ausstellung nahe bringen, die ich im Gespräch mit dem Künstler über seine Entwicklung und seine Kunst eingefangen habe. Das wird Sie, nehme ich an, interessieren!

Mitte der 70er Jahre wurde in der Heimat des Künstlers, in Oberschlesien nahe Kattowitz, eine der größten Zechen Polens eröffnet. In dieser Zeit, da (wohlgemerkt) Zechen anderswo in Europa schon reihenweise geschlossen wurden, und somit zu einer Zeit, da auf diese Weise dem Lebensraum des jungen Karl-Karol Chrobok die Farbe auszugehen drohte, beschloss der eigenwillige junge Mann, Künstler zu werden. Karl Chrobok ist das bis heute gottlob geblieben; und was für einer: „Ich bin ein extremer Mensch", gestand er mir, „in der Malerei kommt das vielleicht ganz deutlich heraus. Wenn die ganz dicke Tube zu wenig ist, kommt der Spachtel!"

Seine maximale Ausdrucksstärke, also seine künstlerischen Extreme konnte Karl Chrobok in Polen nicht in der Konsequenz umsetzen, in der es für ihn logisch und notwendig war. Der Heimat also den Rücken zu kehren war, in gewisser Weise auch extrem, nur konsequent. In der Bundesrepublik Deutschland, in Göttingen, später Köln, traf der Zufall auf den vorbereiteten - um es anders zu formulieren - den in Polen hervorragend handwerklich und kunsthistorisch ausgebildeten Geist.

Chrobok arbeitet ständig in vielen verschiedenen Techniken gleichzeitig. Er kommt in den Jahren 2007 und 2008 auf die Spur bzw. auf den Geschmack des Malens in der Natur. Die meisten in dieser Ausstellung gezeigten Bilder sind allerdings quasi brandneu, aus dem Jahr 2009. Chrobok arbeitet mit viel Farbe und großem Duktus. Das temporär übervolle Atelier zwingt ihn 2008 zur Flucht nach draußen, und das Aufgehoben sein in der Landschaft ist ihm auf einmal angenehmer als die Atelierluft. Schnell stellen sich dem aufmerksamen Künstler die Aufgaben und Fragen wie von selbst:

„Wie viel Abstraktion steckt in der Natur und was kann ich auf der Reise entdecken?" werden zentrale Fragen im Schaffens- und Forschungsprozess des Karol Chrobok. Er befindet sich bald wie ein Jäger auf der Pirsch und stellt fest, dass die Natur ein wunderbares variables Atelier ist, mit allen Facetten der Veränderungen des Lichtes, der Geräusche des Windes, des Regens und der Tiere, ein ungeheurer, gewaltiger Erlebnisraum.

Chrobok malt schnell, er malt in Öl und daher mit dem ständigen penetranten Geruch dieser Farbe in der Nase. Er arbeitet ohne Fotovorlage, direkt in der Natur und auch bei schlechtem Wetter. Er stellt fest, dass das Malen ein Kampf mit der Zeit ist, und zwar geht es um die „produktive Zeit", wie er sie nennt, nach deren Ablauf zumindest das Fixierte auf der Leinwand nicht verloren ist. Die Zwischenbilanz dieser philosophischen Betrachtungsweise der Naturmalerei aus der Perspektive des Künstlers selbst lautet: „Ich habe meinen Reichtum vergeudet, die Farbe steht als Masse auf meinen Bildern."

Dabei ist dieses Vorgehen im Prinzip ein Nachvollzug des Wachstums: Schicht geht auf Schicht, Altes wird übermalt, in weiten Bereichen getilgt, am Rand teilweise stehen gelassen. Diesem Prozess des Wachsens versucht die Archäologie in genau umgekehrter Richtung auf die Spur zu kommen. Aber das ist nicht im Interesse des Künstlers. Er betreibt, ja, forciert einen „beschleunigten Aufbau", sozusagen ein Zukunftslabor, in dem seine Zeitraffermodelle des Wachstums (und unter Umständen auch der Zerstörung) entstehen, wobei es im Laboralltag durchaus normal ist, dass mehrere parallele Zustände zur gleichen Zeit zu betrachten sind.

Karl Chrobok stellt sich seinen eigenen Prüfungen, er sieht die Kunst als Sportplatz des Gehirns. Er nimmt die Herausforderung großer Formate an und arbeitet nicht selten „alla prima", das heißt, die Arbeit wird im ersten Anlauf abgeschlossen. Auch wenn der Künstler nach eigener Aussage ständig auf der Suche „nach allem was malbar" ist, interessiert ihn besonders dasjenige brennend, was schon einmal durch die Augen unter Umständen berühmter Konkurrenz in der Geschichte und Gegenwart der Kunst gesehen worden ist. Chrobok sagte mir hierzu: Zitat: „Jeder gute Künstler öffnet seinen Betrachtern die Augen für ein vorhandenes Problem und jeder Künstler hat die gleichen Mittel an der Hand. Das, was er damit macht, ist entscheidend. Künstlerische Arbeit ist geistige Arbeit!" Zitat Ende.

Aber künstlerische Arbeit ist auch Körperliche: Staffelei, Farben, Leinwände werden zum Malplatz geschleppt. Manchmal ist ein mehrmaliger Gang zum Auto erforderlich. Die Palette muss vorbereitet werden, denn wenn es darauf ankommt, muss sie vorbereitet sein! Zitat Chrobok: „So, wie du mit der Fläche des Bildes umgehst, musst du mit deinem Arbeitsplatz umgehen, wie ein Chirurg. Die Klarheit des einzigartigen Arbeitsplatzes ist so ungeheuer wichtig, weil die Spannung der Arbeit nicht ewig anhält. Wenn die Zeit nicht ausgenutzt wird, kann alles bald vorbei sein. Die Muse sitzt dir nicht ständig auf der Schulter!" Zitat Ende.

Heute Abend aber sitzt uns die Muse in der Eulenburg auf der Schulter und der Künstler ist unter uns. Feiern wir die Ausstellung der großartigen, farbenprächtigen Arbeiten gemeinsam mit ihrem Schöpfer Karl-Karol Chrobok!

© Dr. Andreas Hoppe, Rinteln 2010